Genomische Zuchtwerte steigern signifikant die Genauigkeit der genetischen Voraussage. Aber sind wir wirklich in einem Stadium, in dem junge genomische Bullen genauso vertrauenswürdig sind wie geprüfte Vererber? Mit Sicherheit nicht! Im Jahr 2013 hat der Einsatz von genomischen Jungbullen in Kanada landesweit die 50%-Marke geknackt. Seit der Einsatz von Genomics so stark zugenommen hat bleibt Unsicherheit über die Zukunft der Vererberprüfung. Zum besseren Verständnis der Genauigkeit von genomischen Tests bei jungen Bullen sollte man das Thema von zwei Seiten betrachten, in Bezug auf Zuverlässigkeit und auf Verlässlichkeitsbereiche. Der übliche Weg, die Genauigkeit eines Zuchtwertes auszudrücken, ist im Prozentsatz der Sicherheit. Die Sicherheit spiegelt das Maß an Informationen der genetischen Voraussage wieder und kann abhängig sein von:
der Sicherheit der Einschätzung der Elterntiere
der Anzahl an Dokumentationen, die über die Kühe bzw. die Töchter eines Bullen verfügbar sind
der Anzahl an Herden, in denen diese Dokumentationen gesammelt werden
davon, ob das Tier genetisch getestet wurde oder nicht
Von der Höhe der Sicherheit hängt ab, wie viel Vertrauen man in eine genetische Voraussage haben sollte. Sie ist auch ein Hinweis darauf, wie sehr man erwarten kann, dass sich die Schätzung der Werte mit der Zeit ändert, je höher die Sicherheit, desto weniger wird sich in der Regel verändern. Man kann beispielsweise davon ausgehen, dass sich bei einem Bullen mit einem Zuchtwert von +2000kg Milch und einer Sicherheit von 95% weniger am Zuchtwert verändern wird als bei einem Bullen mit einer Sicherheit von 70%.
Momentan gibt es vier verschiedene Gruppen von Bullen an Besamungsstationen, die für den Milchproduzenten zur Verfügung stehen. Diese Gruppen weisen unterschiedliche Sicherheitsniveaus auf, weshalb die Erwartungen hinsichtlich der Veränderung der Zuchtwerte für jede Kategorie separat betrachtet werden müssen. Die vier Gruppen beinhalten:
Genomische Jungbullen, die selber Söhne genomischer Jungbullen sind
Genomische Jungbullen, die Söhne töchtergeprüfter Bullen sind
Ausländische töchtergeprüfte Vererber mit einem MACE Zuchtwert in Kanada
Töchtergeprüfte Vererber mit einem offiziellen Test in Kanada
Wie bereits erwähnt beherrschen die Genomics derzeit über 50% des Spermamarktes in Kanada. Unter den Genomics fallen momentan 90% in Gruppe 1! Mit anderen Worten hat die überwiegende Mehrheit an genomischen Jungbullen einen Vater, der selbst noch nicht einmal töchtergeprüft ist.
Average Genetic Evaluation Reliability by Trait - April 2014
Trait
Genomic Young Bulls
Progeny Proven Sires
Group 1: Sire is a Genomic Young Bull
Group 2: Sire is Progeny Proven
Group 3: MACE LPI in Canada
Group 4: Official LPI
LPI
67
72
83
90
LPI - Production
70
76
87
94
LPI - Durability
65
71
81
88
LPI - Health & Fertility
59
66
75
83
Milk
71
76
88
95
Fat
71
76
88
94
Protein
70
76
87
94
Conformation
66
72
82
89
Mammary System
67
73
84
90
Feet & Legs
62
68
78
85
Dairy Strength
66
72
83
90
Rump
62
68
75
89
Herd Life
63
68
77
82
Somatic Cell Score
69
74
86
91
Lactation Persistency
57
64
68
91
Daughter Fertility
58
65
73
83
Milking Speed
56
63
68
85
Milking Temperament
54
61
66
84
Calving Ability
69
73
79
91
Daughter Calving Ability
57
64
72
81
Body Condition Score
62
69
80
90
Average
64
70
79
89
Tabelle 1 zeigt die durchschnittliche Sicherheit der verschiedenen Zuchtwerte der vier Bullengruppen. Es ist natürlich keine Überraschung, dass die töchtergeprüften Bullen höhere Sicherheiten haben als die Genomics; es ist aber wichtig zu wissen, dass es auch in diesen beiden Kategorien Unterschiede in der Sicherheit gibt. Beispielsweise haben die Bullen in Gruppe 1 (LPI 67%) eine geringere Sicherheit als die in Gruppe 2 (LPI 72%), obwohl es sich bei beiden Gruppen um genomische Jungbullen handelt. Da die Zuchtwerte in Gruppe 1 die geringste Sicherheit haben, muß auch mit den größten Abweichungen von den Zuchtwerten gerechnet werden.
Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass auch die töchtergeprüften Vererber nicht gleichermaßen zuverlässig sind. Die genotypisierten ausländischen Vererber mit einem GMACE LPI in Kanada haben eine durchschnittliche Sicherheit im LPI von 83% und haben daher Zuchtwerte, die sich im Laufe der Zeit stärker verändern werden als bei den Bullen mit inländischem LPI mit 90% Sicherheit.
Verlässlichkeitsbereiche
Eine weitere Möglichkeit, sich Klarheit über die Genauigkeit der Zuchtwerte und das damit verbundene Risiko der Veränderung der Zuchtwerte zu verschaffen, ist die Verwendung von Verlässlichkeitsbereichen wie in Tabelle 2 dargestellt. Verlässlichkeitsbereiche sind nützlich, weil sie eine realistische Voraussage des Umfanges treffen können, in dem sich der Zuchtwert eines Bullen noch verändern können wird. Wenn man wiederum die vier Bullengruppen in der Tabelle betrachtet verringert sich die Spannweite an möglicher Abweichung von links nach rechts dank höherer Sicherheit der Bullen.
Beim ersten Exempel ging es um zwei Bullen, die einen Zuchtwert von +2000kg Milch haben, einer mit einer Sicherheit von 70%, der andere mit 95%. Bulle A gehört zu Gruppe 1 und Bulle B zu Gruppe 4. Gemäß der folgenden Tabelle würden wir erwarten, dass in 90% der Fälle:
Bulle A bis zu +/- 680kg von 2000kg Milch abweichen kann (zwischen 1320 und 2680kg)
Bulle B bis zu +/- 280kg von 2000kg Milch abweichen kann (zwischen 1720 und 2280kg)
Theoretical 90% Confidence Range by Trait Based on the Average Reliability of the Genetic Evaluation for Different Groups of Sires
Trait
Genomic Young Bulls
Progeny Proven Sires
Group 1: Sire is a Genomic Young Bull
Group 2: Sire is Progeny Proven
Group 3: MACE LPI in Canada
Group 4: Official LPI
LPI
± 375
± 350
± 270
± 210
Milk
± 680
± 620
± 440
± 280
Fat
± 27
± 24
± 17
± 12
Protein
± 20
± 18
± 13
± 9
Somatic Cell Score
+ 0.25
± 0.23
± 0.19
± 0.16
Conformation
± 5
± 5
± 4
± 3
Herd Life / Daughter Fertility
± 5
± 5
± 4
± 3
Calving Ability
± 6
± 5
± 5
± 3
Die größte potentielle Veränderung nach unten wird also Gruppe 1 zugeordnet, die größte Gruppe 4. Ebenso wird aber auch das größte Potential für eine positive Veränderung Gruppe 1 zugeordnet. Aus diesem Grund sollen Milchproduzenten aufgefordert werden, das höhere Risiko durch den Einsatz einer genügend großen Bandbreite an jungen genomischen Bullen zu streuen und dadurch zu minimieren. Dabei sollte jedem klar sein, dass die genomischen Bullen in Gruppe 1 sich im Durchschnitt noch stärker im Zuchtwert verändern werden als die töchtergetesteten Bullen aus Gruppe 4!
Es ist weltweit Usus bei genomische Jungbullen, dass deren genomische Zuchtwerte bis zu einem gewissen Grad überschätzt werden. Die Genetiker von CDN arbeiten aktiv an der Erforschung von Methoden, die die Ursachen verringern können, die zu dieser Überschätzung führen. Ziel ist es dabei, den Milchproduzenten die genauesten Auswertungen zur Verfügung zu stellen, die möglich sind. Dieser Artikel soll Milchviehbetrieben helfen, die Risiken zu verstehen, die mit dem Einsatz genomischer Jungbullen verbunden sein können und einen realistischen Überblick über die Zuchtwertergebnisse zu bekommen sowie die für sich bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.