SEMEX NEWS

Neuer Gendefekt



Aktuelles Semex Bullenangebot so gut wie nicht betroffen!

Wir möchten Sie heute über den neuen Gendefekt CDH informieren. Es wird in Zukunft immer mehr Informationen zu weiteren anderen Erkrankungen geben, jedes Tier und jeder Mensch trägt gewisse Gendefekte von mehr oder weniger schwerem Ausmaßes in sich, die aber erst bei extrem starker Verbreitung erkannt werden können.



Wichtig!

Der Test hat bis jetzt eine Sicherheit von 80% für Träger und 98% für freie Tiere!


Ca. 8% der Holsteinpopulation sind Anlagenträger und 0,16% der aktuell geborenen Kälber erkranken daran. Dies bedeutet, dass bei 1000 Kalbungen 1,6 Kälber erkranken und sterben.



Aktuell von der VIT Webseite

16.07.2015: vit hat in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen eine genetische Ursache für erhöhte Kälberverluste einhergehend mit nicht therapierbaren tödlichen Durchfallerkrankungen und Auszehrung, genannt Cholesterin Defizit, bei Holsteins aufgedeckt Es gibt bereits einen indirekten sogenannten Haplotypen-Test für diesen neuen genetischen Defekt (CDH). Ein negatives Ergebnis aus dem Haplotypen-Test (=Tier ist kein Träger) ist sehr sicher. Im Falle eines positiven Ergebnisses (=Tier ist Träger des Defektes) hängt die Sicherheit von der Abstammung ab, d.h. der Haplotypen-Test liefert teils falsch-positive Ergebnisse. Dieser Aspekt wird z.Z. intensiv und in internationaler Zusammenarbeit untersucht, um die Vorhersagesicherheit des positiven Ergebnisses zu verbessern. Maughlin Storm (geb. 1991) wurde als bisher ältester Bulle mit dem Gendefekt identifiziert. Aufgrund der wirtschaftlichen und züchterischen Bedeutung veröffentlicht vit im Auftrag der Zuchtorganisationen im Deutschen Holstein Verband (DHV) bereits jetzt Listen mit allen in Deutschland eingesetzten KB-Bullen geboren ab 1991 aus denen der vermutliche Träger-Status hervorgeht (CDH=IN d.h. Negativ/kein Träger; CDH=IV d.h. Verdacht, dass Träger).


Nach aktueller Durchsicht sind von den aktuellen Bullen aus dem Katalog folgende Bullen vermutlich Träger:

  • Attract Red
  • Embracing
  • Attorney RF P
  • Raleigh
  • Megawatt
  • Urbain
  • Champ RF P




Ältere Bullen die betroffen sind, sind u.a. Storm, Goldwyn, Talent September und Windbrook.


MB




Nachfolgender Originaltext des vit Verden aus dem Juli 2015 kann hier als PDF heruntergeladen werden.



Erläuterungen zu Haplotypen und Haplotypen-Tests
Haplotypen sind Erbinformations-Stücke unterschiedlicher Länge, die über mehrere Generationen zusammen vererbt werden. Haplotypen lassen sich daher über mehrere Generationen verfolgen. Daher kann z.B. identifiziert werden von welchem Groß- oder Urgroßelter ein Tier ein bestimmtes Stück seiner Genetik bekommen hat. Haplotypen sind aber nicht auf ewig festgelegt, sondern können und werden über kurz oder lang bei der Meiose (crossing-over) "aufgebrochen".






Fehlende Haplotypen (HH1-HH5)
Nach Einführung der genomischen Selektion hat sich in den großen Holstein-Populationen schnell ein großer Datenbestand mit Typisierungen tausender Tiere aufgebaut. Bei der Analyse der Haplotypenverteilung fiel auf, dass bei einzelnen Haplotypen eine andere Verteilung beobachtet wird, als man eigentlich erwartet. Wenn es zwei Varianten (A und B) eines Halotyps in einer Population gibt, so erwartet man bei der Verpaarung von mischerbigen Eltern (AB) unter den Nachkommen 25% AA, 50% AB, 25% BB, so wie z.B. auch bei der Verpaarung von zwei Rotfaktorträgern 25% reinerbig Rote, 50% Rotfaktorträger und 25% reinerbig Schwarzbunte resultieren. Die Beobachtung bei einigen Haplotypen war aber trotz hunderter oder tausender Nachkommen von mischerbigen Eltern, dass es nur AAund AB-Nachkommen gibt und zwar im Verhältnis 1:2. Es fehlen also die eigentlich erwarteten 25% BB-Nachkommen unter den lebenden Tieren. Die einzig logische Erklärung ist, dass Individuen, die solche Kombinationen tragen bereits als Embryo absterben, d.h. ein lebendes Tier mit BB wurde nie geboren und typisiert.





So wurden bei Holsteins die reinerbig fehlenden Haplotypen HH1 bis HH5 (für Holstein Haplotyp) entdeckt, die im Ergebnis zu unspezifisch reduzierter Fruchtbarkeit bei der Anpaarung von heterozygoten Trägertieren führen.
Der Haplotyp beschreibt dabei nicht den eigentlichen Erbdefekt, aber der Erbdefekt muss irgendwo innerhalb des Haplotyp liegen. Ein Haplotyp wird dabei durch die in diesem Bereich liegenden SNP auf dem 54K-Chip beschrieben. Die eigentlichen Gene oder die Genstruktur ist aus den SNP nicht zu erkennen, denn zwischen zwei SNP liegen jeweils mehrere hundert bis tausende Basenpaare. Die Suche nach dem eigentlichen Erbfehler innerhalb des Haplotyp kann anschließend aber sehr gezielt erfolgen. So wurden für HH1, HH3 und HH4 inzwischen die eigentlichen Gendefekte (Mutationen) gefunden und man kann Träger jetzt über einen direkten Gentest identifizieren. Ein Gentest ist populationsübergreifend anwendbar und verliert auch nach Generationen nicht seine Gültigkeit. Der Haplotypen-Test ist dagegen populationsspezifisch und hängt u.a. von der Anzahl insgesamt typisierter Tiere, den verwendeten SNP, der Verwandtschaftsstruktur, aber auch dem verwendeten Imputing-Verfahren zur Haplotypdefinition ab. Die Sicherheit eines Haplotypentest ist daher max. 99%. Bei Haplotypentests basierend auf verschiedenen Populationen muss zudem mit ca. 1% unterschiedlichen Ergebnissen gerechnet werden.



Neuer Gendefekt Cholesterin Defizit
Bei klassischen rezessiven Gendefekten ist der Ausgangspunkt die Beobachtung von fehlentwickelten Tieren. So auch bei der neu entdeckten genetischen Ursache für Kälberverluste nach nicht behandelbarem Durchfall und Auszehrung, genannt Cholesterin Defizit (CD). Über eine Pedigree-Analyse wird versucht, herauszufinden, ob es bei allen betroffenen, für den Erbfehler reinerbigen Tiere, einen gemeinsamen Vorfahren auf Vatersund Muttersseite gibt. Aber auch hier hilft die Haplotypenanalyse die Region schnell zu identifizieren sowie den Ursprung der Mutation einzuengen. Alle Kälbern, die an "Cholesterin Defizit" (CD) leiden und schließlich verendeten, konnten jeweils auf Vaters- und Muttersseite auf den 1991 geborenen kanadischen Vererber Maughlin Storm zurückverfolgt werden. Außerdem sind alle betroffenen Kälber reinerbig für einen bestimmten Haplotyp auf Chromosom 11, den Storm ebenfalls hat.



Bei der anschließenden Analyse der gesamten typisierten Population für den gefundenen CD-Haplotyp fanden sich aber auch etliche für den Haplotyp reinerbige Tiere, die völlig gesund waren und Storm nicht doppelt und zum Teil nicht einmal einfach im Pedigree führten. Allerdings ließen sich fast alle diese Tiere auf einen gemeinsamen Vorfahren, den auch Storm im Pedigree führt, zurückführen, den 1966 geborenen Fairlea Royal Mark (MMV von Storm). Es gibt also offensichtlich in der Holstein-Population von dem gleichen Haplotyp zwei Varianten, die defekte Storm-Variante und die gesunde/ursprüngliche F.R.Mark-Variante. Da die Haplotypen, genauer gesagt die SNP auf diesem Haplotyp, gleich sind, muss die eigentliche Mutation bei Storm oder den Generationen zwischen F.R.Mark und Storm irgendwo zwischen zwei SNP innerhalb des Haplotyp entstanden sein. Anhand der SNP lassen sich die Haplotypen mit und ohne die Mutation also nicht unterscheiden.



(Un-)Sicherheit bei Haplotyptest auf CD
Da es von dem identisch aussehenden Haplotyp sowohl eine mutierte (homozygot krank machende) als auch eine gesunde/unveränderte Variante gibt, bedeutet dies für den Haplotypentest):
  • Trägt ein Tier den Haplotyp überhaupt nicht, ist es in jedem Fall kein Träger und diese Aussage ist >98% sicher
  • Trägt das Tier den Haplotyp, kann es sowohl die krankmachende als auch die gesunde Variante des Haplotyp tragen. Die Träger-Aussage ist also nicht sicher, sondern der Haplotypen-Test liefert auch falsch-positive Ergebnisse.




Auf Basis der in Deutschland gefundenen Ergebnisse, haben inzwischen auch die USA und die NLD einen sehr ähnlichen Haplotyp identifiziert. Der darauf basierende USHaplotypentest lieferte zu 99% das gleiche Ergebnis wie der vit Haplotypentest für CD, also auch den gleichen Anteil falsch positiver Ergebnisse.



Eine weitere Abgrenzung von krankmachendem und ursprünglichem, gesundem Haplotyp innerhalb der Haplotyp-Trägertiere kann über eine Pedigreeanalyse erfolgen:
  • Kommt Storm im Pedigree nicht vor, so muss es sich um ein Tier mit dem gesunden Haplotyp handeln, d.h. für den Erbfehler selbst ist es vermutlich frei
  • Kommt nur Storm im Pedigree vor und F.R.Mark nicht (außer als Storm‘s MMV), so muss das Tier den krankmachenden Haplotyp tragen
  • Kommen Storm und F.R.Mark im Pedigree vor, kann der Haplotyp sowohl der krankmachende als auch der gesunde sein, d.h. eine sichere Aussage ist nicht möglich.
Dadurch dass die "Aufteilung" des gesunden und krankmachenden Haplotyp vor so vielen Generationen erfolgte, sind beide Varianten in der Holsteinpopulation weiter verbreitet, und in den Pedigrees vieler Trägertiere kommen sowohl Storm als auch F.R.Mark vor. Insbesondere die bekannte kanadische Bullenmutter Comestar Laurie Sheik (Ur-Enkelin von F.R.Mark) trägt offensichtlich die gesunde Variante des Haplotyps und hat diese über stark eingesetzte Söhne und Enkel in der aktuellen Population stärker verbreitet.



Es wird zur Zeit daran gearbeitet aus der Pedigree-Analyse für jedes Haplotyp-Trägertier eine individuelle Wahrscheinlichkeit abzuleiten, dass es tatsächlich den krankmachenden Haplotyp trägt. Diese Wahrscheinlichkeit kann zwischen 50% und 99% liegen.



Warum noch kein Gentest?
Nach der Eingrenzung der Region mit der krankmachenden Mutation über den Haplotyp ist es mit Hilfe von Genomsequenzierungen im Prinzip möglich, die Mutation genau zu bestimmen und einen Gentest zu entwickeln. Sequenzierung bedeutet dabei die exakte Bestimmung des Genoms, d.h. aller Basenpaare und nicht nur die hunderte oder tausende Basenpaare auseinanderliegenden SNP. Der Vergleich der Sequenzen bereits vorliegender gesunder und jetzt auch an CD gestorbener Tiere ergab leider auch in den Sequenz-Daten keine Unterschiede. Hierzu muss man wissen, dass die Sequenzierung nicht wirklich über das ganze Genom erfolgt, sondern dass es Lücken gibt, für die bisher keine Sequenzierung möglich ist (Lücken im Rinder-Referenz-Genom). In der Region des Haplotyp für CD gibt es ca. 6% Lücken. Es ist daher zu vermuten, dass die eigentliche Mutation in genau einer dieser Lücken entstanden ist. Auf absehbare Zeit, bis zum Vorliegen einer neuen Rinder-Referenz-Sequenz mit hoffentlich geschlossener Lücke im Bereich der CD-Mutation, ist daher nicht mit der Entwicklung eines 100% sicheren Gentest zu rechnen.



Die Hoffnungen ruhen in der Zwischenzeit darauf, die SNP-Dichte links und rechts der vermuteten Lücke auf einem neu entwickelten EuroGenomics-Chips deutlich zu erhöhen. Über diese zusätzlichen SNP sollen der krankmachende und gesunde Haplotyp weiter differenziert werden. Dadurch kann hoffentlich die Aussagegenauigkeit für "Tier ist Träger" deutlich verbessert werden. Der so erweiterte neue SNP-Chip liegt voraussichtlich ab Oktober vor, so dass bis Ende des Jahres evtl. ein verbesserter Haplotypen-Test für CD entwickelt werden kann.


vit, Verden
Juli 2015