Die Strategien der Importeure
Artikel gepostet am Juli 18, 2014, 15:22:47
Es ist einer der, wenn nicht sogar der etablierteste Importeur auf dem deutschen Spermamarkt. Es geht um Balanced Breeding und um Protagonisten wie Aerostar, Rudolph, Starleader, Lee oder Goldwyn. Bullen, die den Aufstieg von Semex Deutschland maßgeblich beeinflusst haben, und die Semex trotz ihrer Stärken für Leistung, Fitness und Funktionalität immer den Status angeheftet haben, ein
Anbieter teurer Schau- und Exterieurvererber zu sein. Genetik für die elitäre Spitze der Zucht.
Aber das Image hinkt der Realität hinterher. Semex selbst sieht sich anders. Und ist tatsächlich anders. Hier also die zweite Station unserer Serie über die Importeure auf dem deutschsprachigen Markt: Semex Deutschland.
Wir treffen Martin Buschsieweke, den Geschäftsführer von Semex Deutschland, in Verden.
Martin Buschsieweke ist seit 2006 Geschäftsführer von Semex Deutschland.
Der Hauptsitz hat Stil. Das massive ehemalige Industriegebäude steht auf wirklich festem Fundament.
Es wurde komplett renoviert und hat heute ein neues, modernes Interieur, ohne seinen alten Charme verloren zu haben. Irgendwie passt es perfekt zu dem, was Semex mit seiner Genetik den Milchviehhaltern in Deutschland anbieten will: hochwertige, moderne Genetik auf der Basis einer solide und erfolgreich erprobten Holsteinpopulation, wie es die kanadische unumstritten ist.
Die Büroräume befinden sich in der obersten Etage. Und genau da fühlt man sich auch im hart umkämpften Spermageschäft. Gerade hat Semex Deutschland das erfolgreichste Jahr seiner mittlerweile 20-jährigen Geschichte hinter sich gebracht. "Und zwar sowohl in Punkto verkaufter Spermaportionen als auch in monetärer Hinsicht", wie Buschsieweke versichert. Semex, das ist für viele noch immer Balanced Breeding. Kaum ein Importeur auf dem deutschsprachigen Markt hatte sich im Laufe der Jahre einen derart hochwertigen Markennamen aufgebaut. Gleichzeitig aber hatte es wohl auch kein Importeur so schwer, aufgrund dieser klaren Philosophie sein Image den durch immer neue Fitnessmerkmale und genomische Zuchtwerte radikal veränderten züchterischen Prinzipien anzupassen.
GENÜGEND VARIANZ
Buschsieweke redet nicht lange um den heißen Brei herum, als wir in gleich zu Beginn auf die vielen züchterischen Veränderungen der letzten Jahre ansprechen. "Ja Semex hatte und hat immer einen extrem starken Markennamen besessen und Balanced Breeding war die Philosophie dahinter. Das kannte eigentlich jeder. Es war immer ein Synonym ausgewogener Zucht auf Leistung, Exterieur und Fitness. Trotzdem haben es viele Milchviehhalter zunächst mit Exterieur in Verbindung gebracht. Und genau daran mussten und müssen wir stark arbeiten. Balanced Breeding war auch immer eine Interpretationsfrage. Viele haben dahinter Schaubullen vermutet aber wir selbst haben es ganz anders interpretiert. Nehmen wir Bullen wie Starleader oder Rudolph. Natürlich haben sie Schaukühe geliefert, aber in erster Linie waren es Vererber, die Kühe gezüchtet haben, die sich jeder kommerzielle Milchviehhalter wünscht. Und bei Goldwyn war es nicht anders. Er hat die Zucht mit außergewöhnlichem Exterieur bereichert aber seine Fitnesseigenschaften waren mindestens genauso stark. Tatsächlich also sind das alles sehr kommerzielle Bullen. Nicht das wir uns falsch verstehen, Exterieur ist noch immer ein wesentlicher Bestandteil der Zuchtphilosophie von Semex, aber die Vererber, die wir aus dem riesigen Testvolumen von über 250 Jahr für Jahr weltweit geprüften Semex-Jungbullen auswählen, erlauben es uns, ein Angebot zusammenzustellen, das allen Ansprüchen und züchterischen Facetten genügt. Und in dieser Hinsicht sind wir heute viel besser aufgestellt als früher", erklärt Buschsieweke.
GENETICS FOR LIFE
Lieber als mit dem alten 'Brand' des 'Balanced Breeding' agiert Buschsieweke heute mit dem neuen Slogan 'Genetics for Life'. "Ich denke", fährt er fort "dass wir damit unsere Ansprüche besser vermitteln. Wir bedienen hier keine spezielle Gruppe an Züchtern, sondern decken mit unserem Angebot den Bedarf aller Milchviehhalter, egal ob kleiner Familienbetrieb oder große Herde im Osten. Über 90% unserer Kunden sind kommerzielle Betriebe, die sich darüber bewusst sind, dass sie mit Genetik eine Verbesserung der Herde und damit auch ihrer Wirtschaftlichkeit erreichen." Also haben sich die Ansprüche doch geändert? "Natürlich hat sich in der Milchviehhaltung vieles geändert. Die Betriebe gehen an viele Dinge heute viel professioneller heran, auch an Genetik. Emotionen spielen eine geringere Rolle, aber der Anspruch an die Vererber ist deshalb nicht geringer worden. Ganz im Gegenteil", lautet Buschsieweke klares Statement. Für Semex Deutschland sind die Veränderungen innerhalb der Milchviehhaltung nicht ohne Konsequenzen geblieben. Die Strategie ist heute eine andere. "Als ich in dieser Branche angefangen habe zu arbeiten, war das
Rüstzeug, mit dem man ausgestattet wurde, ein Auto und ein Bullenkatalog. Die heutige Situation ist aber mit der von vor zwanzig Jahren überhaupt nicht zu vergleichen. Die Milchviehhalter arbeiten und denken heute viel professioneller und genau diese Professionalität erwarten sie auch von uns als Genetiklieferanten", so Buschsieweke. Aber was bedeutet das ganz genau? Wie sieht professionelle Spermavermarktung in der heutigen Zeit aus? Buschsieweke: "Die Milchviehhalter von heute kennen die Bedeutung der Genetik für ihren wirtschaftlichen Erfolg. Sie wissen aber auch, dass Genetik nicht alles ist und dass sie nur dann ihren maximalen Nutzen bringen kann, wenn auch die Rahmenbedingungen, das Management insgesamt, darauf abgestimmt sind. Unser Anspruch ist es deshalb, die Betriebsleiter ganzheitlich zu beraten. Wir wollen nicht nur Sperma vermarkten, sondern den Betrieben Hilfestellung geben, ihr Gesamtkonzept zu verbessern. Wir sehen den Service, den Semex Deutschland und unsere Mitarbeiter bieten, als genauso wichtig an, wie die Genetik selbst. Unser Angebot umfasst deshalb heute nicht umsonst ein Brunsterkennungssystem und Herdensoftware. Wir organisieren Züchtertouren, bieten Managementberatung, analysieren die Betriebe als Ganzes und versuchen über Networking Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme oder beim Erreichen ihrer Ziele anzubieten. Für uns ist es wichtig, die Betriebe, die wir beraten, mit all ihren Stärken, Schwächen und ihren Zielen genau zu kennen. Über unser Computerprogramm 'Semex Works' sind wir in der Lage sowohl uns als auch den Betriebsleitern einen genauen Überblick zu verschaffen. Am Ende steht eine Bullenauswahl, die qualitativ und quantitativ genau auf jeden unserer Kunden abgestimmt ist. Es geht darum, mit unserer Arbeit für die Betriebe einen echten Mehrwert zu schaffen. Semex hat dafür in den letzten zwei Jahrzehnten viel investiert. Etwa in Immunity+, ein Alleinstellungsmerkmal, das lange erforscht und erprobt wurde, eine hohe Erblichkeit besitzt, mittlerweile sehr populär ist und den Betrieben wirklich nützt."
GROSSES TEAM
Mit seinen 27 Beratern im Außendienst beschäftigt Semex Deutschland eines der größten Teams unter allen Importeuren. Der Anspruch ist hoch. Natürlich nicht nur an den Service sondern auch an die Genetik. "Für viele unserer Kunden ist der LPI nach wie vor eine wichtige Größe aber auch TPI und RZG-Werte sind für viele Züchter bei der Bullenauswahl entscheidend", sagt Buschsieweke. "Vor allem kommerzielle Milchviehhalter brauchen den RZG als Bezugsgröße. Unser Anspruch ist es, Zuchtwerte unserer Bullen in allen Systemen anbieten zu können. Die Varianz, die von den Kunden nachgefragt wird, ist und bleibt riesig. Unser Angebot umfasst gesextes Sperma, Hornlosigkeit, Immunity+-Bullen oder Elite-Bullen für die Spitzenzucht in allen Segmenten. Ich denke, mit dem riesigen Testvolumen und dem großen Pool an Semex-Vererbern, aus denen wir auswählen, sind wir gut aufgestellt."
TEXT: STEPHAN SCHNEIDER / FOTO: CHRISTINE MASSFELLER KuhFacto